Zwischen Illegalität und Atelier – Ein Interview mit The Kuhl Kid


So manchem wird The Kuhl Kid aus dem öffentlichen Raum verschiedener Städte bereits bekannt sein. Der Street-Art-Künstler ist weit über zehn Jahre aktiv und hinterlässt seine ulkige Kuh an vielen Stellen in der urbanen Umgebung. In Zusammenarbeit mit Kleine Kunstkammer hat er drei exklusive Linoldrucke erstellt. Wir freuen uns diese und eine Auswahl anderer seiner Atelierarbeiten anbieten zu können.  Um ihn besser kennenzulernen erklärte er sich zum folgenden Interview bereit, in dem es unter anderem um Stadtambiente, Reisen und vor allem seiner Ateliertätigkeiten geht, die im Kontrast zu der Arbeitsweise in der Illegalität stehen. Freundlicherweise stellte er uns einige Photographien von seinen Werken zur Verfügung. Wer einen größeren Einblick in das Schaffen von The Kuhl Kid erhalten möchte, dem ist sein Instagramaccount @thekuhlkid zu empfehlen.

The Kuhng Fu Kid in Köln Kalk

Hass ist Ballast Komposition in Minden

Kuh am Rheinufer in Basel


Kleine Kunstkammer: Dein signifikantes Markenzeichen ist die vereinfachte, comichafte Darstellung einer Kuh. Warum hast du gerade dieses Motiv ausgewählt?

The Kuhl Kid: Ich habe diese Kuh in ähnlicher Form als Kind gemalt, ein Werk, das dann auf ewig in irgendwelchen Mappen aufbewahrt wird, um die schöpferischen Fähigkeiten zu konservieren. Jahre später, als ich mich für illegales Graffiti interessierte, habe ich mich dann anfangs dazu entschieden diese Kuh in leicht abgewandelter Weise zu sprühen. Sie war einfach und deshalb schnell zu malen, was einem in der Illegalität natürlich gelegen ist. Trotz der Einfachheit oder vielleicht gerade deswegen hat sie eine besondere Wirkung.

KK: Also steckt keine Nachricht, keine Bedeutungsebene dahinter?

TKK: Nein, zumindest anfangs definitiv nicht. Ich wollte einfach eine lustige Figur so oft wie möglich an guten Stellen der Stadt hinterlassen, um sie bekannt zu machen. In der heutigen Zeit ist eine Kuh jedoch bestimmt das bedeutungsvollste Tier, das man malen kann.

KK: Inwiefern?

TKK: Wegen der Massentierhaltung, die einen großen Anteil am menschengemachten Klimawandel hat. Dem wohl größten Problem unserer Zeit. Ebenso die ethischen Konflikte davon. Es gibt sicher kein Tier, dass so sehr vom Menschen ausgebeutet wird, wie die Kuh. [Überlegt kurz] Außer das Huhn noch würde ich sagen.

KK: Meinst du deine Kühe bringen solche Assoziationen im Betrachter hervor?

TKK: Bei manchen Menschen kann ich mir das gut vorstellen. Manchmal greife ich dieses Thema ja auch bewusst auf und male dann zum Beispiel eine Leinwand mit schmackhaft aussehenden Hamburger mit einer toten Kuh statt einer Bulette darin.

The Kuhl Kid: Got Milk?, Acrylfarbe auf Leinwand, 80 x 130 cm, 2019

The Kuhl Kid: Hamburger, Acrylfarbe auf Leinwand, 60 x 80 cm, 2019


KK: Das ist eine gute Überleitung zu deinen Atelierarbeiten. 2019 hattest du eine Ausstellung mit zahlreichen Leinwänden. Wie kommt dein Interesse an der Erstellung von Werken auf mobilen Bildträgern zu Stande?

TKK: Ich interessiere mich sehr für Kunst und bin daher auch offen für klassische Techniken oder Bildträger. In der Illegalität auf der Straße hast du nur knappe Zeiträume zum Malen, weil ja ständig irgendein Passant der Meinung sein kann, dass er jetzt die 110 wählen muss. Für Leinwände oder andere Sachen kann man sich mehr Zeit nehmen und ein aufwendigeres Motiv umsetzen als an der Hauptstraße.

KK: Was ich sehr beeindruckend fand, war die Installation einer Büste deiner Kuh im öffentlichen Raum. Hast du die Plastik selbst gefertigt?

TKK: Das hat auch großen Spaß gemacht. Ja, ich habe alles selber gemacht. Den Kuhkopf aus Gips geschaffen und eine Gussform abgenommen, für die Wetterfestigkeit dann einen Betonguss erstellt. Ich hatte irgendwann mal auf einem Grünstreifen zwischen einem Gehweg und Supermarktparkplatz einen steinernen Sockel gesehen, der keine Funktion hatte. Ich weiß auch bis heute nicht, was das mal war oder wofür es da stand, aber es hat sich perfekt dafür angeboten eine Büste daraufzusetzen. Logistisch war das natürlich eine Herausforderung mit dem schweren Ding, dazu die ganzen Utensilien um es zu befestigen.

KK: Zu der Aktion hast du auch ein Video gemacht.

TKK: Genau, ich wollte die Aktion auf eine schöne Art und Weise festhalten, weil sie für mich auch was besonderes war.

The Kuhl Kid: Kopfnuss, Video, 3:43 min, 2018

The Kuhl Kid: CE-4, Linoldruck auf Japanpapier, 54,5 x 39,4 cm, 2021

The Kuhl Kid: Masquerade, Linoldruck auf Echtbütten, 42 x 29,7 cm, 2021

The Kuhl Kid: Pursuit of Happiness, Linoldruck auf Japanpapier, 54,5 x 39,4 cm, 2021


KK: Man sieht, dass du dich vielseitig mit verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen beschäftigst. Jetzt hast du dich der Druckgraphik gewidmet und drei Linolschnitte geschaffen. Was gefällt dir an dieser Technik?

TKK: An der Druckgraphik allgemein gefällt mir natürlich die Reproduzierbarkeit. Der Linolschnitt geht gut von der Hand und hat irgendwie was beruhigendes. Das Schnitzen ist wie eine Art Beschäftigungstherapie für mich [lacht]. Am besten finde ich es eine Skizze direkt auf die Linolplatte zu machen und diese dann sozusagen abzuarbeiten. Die fertigen Drucke weisen je nach Farbauftrag Unterschiede auf, was ich sehr begrüße, da die einzelnen Exemplare so nicht identisch sind.

KK: Was hat es mit den Motiven auf sich, kannst du die Arbeiten ein wenig beschreiben?

TKK: Ich nehme bei allen drei Motiven Bezug auf Themen der vergangenen Monate. Zum Beispiel die Offenlegung der Topsecret-Akten der US-Regierung über UFOs oder die Coronapandemie.

KK: Ich habe auf deinem Instagramprofil gesehen, dass du die Kuhentführung durch ein UFO schon mal auf einer großen Wand gemalt hast.

TKK: Ja, vor langer Zeit war das, an der Fassade einer Sporthalle. Durch diese Farce der US-Regierung in diesem Sommer, bei der ja keine wirklichen Erkenntnisse zum UFO-Phänomen bei rumgekommen sind, bin ich auf die Idee gekommen das Motiv noch einmal aufleben lassen. Jedoch im anderen Gewand. Während sich die Entführung damals am hellichten Tag abgespielt hat, ist es jetzt eine Nachtszenerie, worauf die Technik des Linolschnitts deutlichen Einfluss hatte. Ich finde, dass mit einem einfarbigen schwarzen Holz- oder Linolschnitt, durch die großen Flächen und groben Schnitte, sehr gut eine mysteriöse, dunkle Atmosphäre erzeugt werden kann. Das mag ich so sehr daran.

KK: Und der "Masquerade" Druck bezieht sich dann in gewisser Weise auf die Maskentragepflicht durch die Covid19 Situation?

TKK: Ja, auf humorvolle Art und Weise setze ich es in Verbindung mit meinem allgemeinen Treiben als in der Illegalität agierender Maler. Man kann ja nicht nur eine Maske tragen um sich vor Krankheitserregern zu schützen, sondern auch um sich zu verstecken und unkenntlich zu machen. Vor der Pandemie war es einfach nicht legitim eine Maske zu tragen, jetzt kann man ganz selbstverständlich vermummt in der Öffentlichkeit auftreten. Während sich viele über das Tragen von Masken aufregen, freue ich mich als illegal agierender Street-Art-Künstler darüber, dass es erstmal normal geworden ist eine zu tragen [lacht]. Trotzdem ist die gesamte Situation natürlich auch absurd, wie ein Maskenball.

KK: Der "Pursuit of Happiness" Druck ist im Gegensatz zu den anderen beiden mehrfarbig.

TKK: Genau, ich habe drei unterschiedliche Linolplatten angelegt und mit Schwarz, Braun und Grau gedruckt, mit dem Weiß des Papiers ist dann das Gesamtbild entstanden.

KK: Kannst du dir vorstellen deine Aktivität im unerlaubten öffentlichen Raum an den Nagel zu hängen und nur noch Werke im Atelier zu schaffen?

TKK: Auf gar keinen Fall. Ich lege ja auch viel größeren Wert darauf in der Stadt zu sein, als Atelierarbeiten  zu schaffen. Es macht mir auch in der Regel deutlich mehr Spaß. Da würde der Kern verloren gehen, die Identität auch irgendwie, was das Projekt The Kuhl Kid ausmacht.

Schlafende Kuh in Köln Kalk

Kuh auf der Hohenzollernbrücke in Köln

Kuh am Bahnhof Köln-Ehrenfeld


KK: Mittlerweile sind viele Kühe in verschiedenen Stadtteilen Kölns zu sehen. Man kann sicherlich verraten, dass du eigentlich woanders herkommst. Hat der Umzug in die Domstadt mit deinem künstlerischen Schaffen zu tun gehabt?

TKK: Die Hauptgründe dafür waren natürlich privater Natur. Ich konnte es mir jedoch schon länger gut vorstellen in Köln zu wohnen, da die Stadt von Besuchen einen guten Eindruck hinterlassen hat. Außerdem habe ich das Graffitigeschehen auch gerne verfolgt und bin der Meinung, dass Köln über eine sehr gute Graffitiszene verfügt. An Street-Art gibt es hier auch einiges. Also einfach ein spannendes Pflaster was Graffiti und Street-Art angeht.

KK: Also wurden deine Erwartungen nicht enttäuscht, nachdem du länger in Köln gewohnt hast?

TKK: Nein, gar nicht. Ich finds super spannend. Es gibt so viel Graffiti, so viele Leute die das hier vorantreiben. Man hat auch richtig Competition, wenn sich irgendwo eine neue freie Fläche ergibt, dann muss man schon schnell sein, am besten macht man sie direkt in der kommenden Nacht, weil die mit Sicherheit direkt viele andere ins Auge fassen und anmalen wollen. Aus den deutlich kleineren Städten, wo ich vorher gewohnt habe, kenne ich das so gar nicht. Klar gibt es da auch einige Leute die sprühen, aber freie Flächen sind viel mehr verfügbar.

KK: Du bist ja gerne am Reisen und hinterlässt deine Kühe auch international in verschiedenen Städten. Welche Orte haben dich neben Köln noch hinsichtlich Graffiti und Street-Art beeindruckt?

TKK: So viel habe ich noch nicht gesehen. Man kann auf jeden Fall sagen, dass Deutschland generell weit vorne ist. Berlin, Hamburg, Leipzig, Dortmund, da geht überall sehr viel. Paris und Rom sind noch so Klassiker, wo ich auch mal war.

Kuh auf einem Brückenpfeiler in Berlin Friedrichshain

Kuh an einem Ufer in Amsterdam Noord

Kuh am Hauptbahnhof in Rom


KK: Wo in der Welt würdest du in Zukunft denn gerne noch Kühe malen?

TKK: Lustig wäre es auf jeden Fall in Indien. Kühe sind da ja heilig und laufen einfach in den Innenstädten rum. Daher macht das doch total Sinn [lacht].

KK: Hast du sonst noch Ziele mit The Kuhl Kid?

TTK: Einfach noch einige zu malen.

 

KK: Vielen Dank für das Interview.